Lebensraum-Vernichter, aber Delikatesse

In den vergangenen Jahrzehnten eroberte der aus Amerika und Kanada stammende Signalkrebse weite Teile Europas. Nun auch die bayerische Isar. Feinschmecker freut’s, Artenschützer weniger.

Text: Sven F. Goergens

Signalkrebs-Anatomie. Foto: Imago

Weil die Menschheit unaufhaltsam wächst und immer mehr Naturräume für Verkehr, Siedlungen und Landwirtschaft verschluckt, verschwanden in den vergangenen 50 Jahren fast 70 Prozent aller Wirbeltierarten. Andere Spezies sind hingegen auf dem Vormarsch. So zum Beispiel der Signalkrebs, dem anthropogene Lebensräume (durch den Menschen verändert) behagen zu scheinen.

Pacifasticus leniusculus ist ein Einwanderer aus dem Westen Nordamerikas, der in bayerischen Still- und Fließgewässern bestens gedeiht. Der bis zu 16 Zentimeter große und bis zu 200 Gramm schwere Krabbler schätzt nämlich als Unterschlupf die Spalten von Steinpackungen und Felsblöcken, wie sie in viele Gewässer und auch am Isar-Kanal im Süden Münchens und an der dortigen Floßlände zur Uferbefestigung eingebracht wurden.

Auch unter Totholz und an Brückenpfeilern im strömungsberuhigten Uferbereich hält er sich auf. Dort gräbt sich der Flusskrebs Höhlen, die er zum Beutezug in der Dämmerung und in der Nacht verlässt. Ans Wasser ist der Lebenskünstler bei seinen Wanderungen nicht unbedingt gebunden. Bis zu zwei Kilometer kann er auf dem Land zurücklegen.

Der Einwanderer verdrängt heimische Arten

Hierzulande ist er nicht gerne gesehen und gilt als invasive Art, die den Edelkrebs, Steinkrebs und Dohlenkrebs noch weiter zurückdrängt. Die Populationen dieser drei in Europa heimischen Arten dezimierte die Krebspest, eine Viruserkrankung, bereits Mitte des 19. Jahrhunderts stark. Der Signalkrebs, ursprünglich nur in Teilen Kanadas und im Westen der Rocky Mountains beheimatet, ist gegen diesen Erreger immun. Deswegen wurde er zur Aufrechterhaltung der lukrativen Krebsfischerei zunächst nach Schweden und später auch in andere europäische Länder verbracht.

Resistent und vom Menschen importiert

Die Ansiedlung des Signalkrebses durch den Menschen ab Mitte des 20. Jahrhunderts war ein massiver Eingriff in unsere empfindlichen aquatischen Ökosysteme, den man heute bereut. Denn los wird man das robuste, anpassungsfähige Zangentier nicht mehr: Der Signalkrebs ist aggressiver als europäische Flusskrebse und wird im Vergleich zu Steinkrebs und Dohlenkrebs auch deutlich größer. Er produziert um ein Vielfaches mehr Nachwuchs und kommt auch in Gewässern mit minderer Wasserqualität zurecht. Außerdem schadet ihm der Temperaturanstieg durch die Klimaerwärmung kaum. Dort, wo sich der Signalkrebs breit macht, vernichtet er auf kurz oder lang die Restbestände der heimischen Krebsarten.

Fang nur durch Fischereiberechtigte

Deswegen steht der Signalkrebs auch in Bayern auf der Liste invasiver, gebietsfremder Arten. Invasiv bedeutet die Fähigkeit zur unkontrollierten Ausbreitung mit nachteiligen Folgen für die ursprünglichen Ökosysteme. Die gute Nachricht: Der Signalkrebs ist weder durch Schonmaß noch durch Schonzeit geschützt und kann von allen Fischereiberechtigten (Anglern mit staatlichen Fischereischein sowie Erlaubnisschein fürs betreffende Gewässer) gefangen werden.

Auch an der Isar erfreut sich die Krebsfischerei mit Fischködern und Keschern wachsender Beliebtheit. Der Signalkrebs ist nämlich äußerst wohlschmeckend und wie der mit ihm verwandte Hummer eine Delikatesse mit unzähligen Zubereitungsvarianten: beispielsweise als Pot au Feu oder als Garnitur auf der Pasta. Die Tötung des Krebses darf nur auf eine einzige Art erfolgen: Die Tiere müssen einzeln in sprudelnd kochendes Wasser gegeben werden, in dem sie sofort sterben und sich rot verfärben.

Krebse müssen zur Tötung in siedendes Wasser geworfen werden. Ihre Schale verfärbt sich dann rot. Foto: Imago

Aussehen

Der recht großwüchsige Krebs ähnelt unserem Edelkrebs im Körperbau. Sein massiger Körper ist nicht bedornt. Auch die Scheren sind glatt. Die Farbe ist meist ein helles Braun.
Die Scheren des Signalkrebses sind breit und groß (vor allem bei den Männchen). Die Unterseite der Scheren ist wie beim Edelkrebs leuchtend rot. Unterscheidungsmerkmal: An der Oberseite der Scherengelenke trägt der Signalkrebs auffallend weißliche, hellblaue Signalflecken.

Dieser Zeichnung verdankt er seinen Namen. Männliche Signalkrebse können über 16 Zentimeter Körperlänge und mehr als 200 Gramm Gewicht erreichen. Die Weibchen sind deutlich kleiner.

Vermehrung

Zur Paarung kommt es im Herbst bei sinkenden Wassertemperaturen. Dabei halten die Männchen die Weibchen mit den Scheren fest und drehen sie auf den Rücken oder in die Seitenlage. Die Weibchen sind bei Paarungsbereitschaft hilfsbereit, so dass auch kleinere Männchen größere Weibchen begatten können. Paarung: Oktober bis November.
Eiabstoss: einige Stunden bis 14 Tage nach der Paarung
Schlupf der Larven: Mai

Ernährung

Wie die meisten Flusskrebse ist der Signalkrebs ein Allesfresser, der aquatische Insektenlarven, Amphibien, Mollusken, Fischkadaver sowie lebendes und abgestorbenes Pflanzenmaterial aufnimmt. Jungtiere ernähren sich meist deutlich räuberischer als größere Individuen. Bei hohen Bestandsdichten können Signalkrebse einen beträchtlichen Druck auf bevorzugte Beutearten ausüben und diese aus einem Gewässer eliminieren. Die Futtersuche findet in der Regel in der Dämmerung und nachts statt.

Der bei uns heimische Edelkrebs befindet sich auf dem Rückzug. Die Krebspest, gegen die der Signalkrebs immun ist, vernichtete große Teile seiner Bestände. Foto: Imago
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